Welche Strategie steckt hinter Putins Angriff auf die Ukraine? Gar keine, meint der russische Soziologe Boris Kagarlitzki. Wie instabil die Macht des Kremls tatsächlich ist und was das für die russische Linke bedeutet, erklärt er im JACOBIN-Interview.

Dazu Richard Schuberth auf facebook: „Großartiges Interview mit dem oppositionellen russischen Soziologen Boris Kagarlitzki. Dieser liefert einen guten Einblick in das gesellschaftliche Klima Russlands und die Mechanismen hinter der Invasion. Ich muss gestehen, dass es mir auch deshalb so gefällt, weil es mich auf unerwartete und großzügige Weise in meiner Auffassung und vielen Vermutungen bestätigt.
Und es räumt schön mit der westlichen Angst- und Propaganda-Projektion einer auf einen neuen expansiven Superfaschismus eingeschworene Volksgemeinschaft auf, die in straffer ideologischer Organisation hinter ihrem Führer steht, dem Vollstrecker des totalen Endkampfs gegen die Werte des Westens, einer steppenreiterheerhaften Bedrohung durch Orthodoxie, patriarchale Virilität und Antidemokratismus. (Was nicht heißt, dass die russische Führung nicht mit faschistoiden ideologischen Versatzstücken hantiert). Vielmehr offenbart das Interview ein viel trostloseres Bild russischer Gesellschaft und Macht: Apathie, Politikverdrossenheit, Passivität und ein unendliches Babuschkasystem aus Korruption, Planlosigkeit, Fehlentscheidungen, Inkongruenzen und Dilettantismus.
Die USA wissen das, und die ukrainische Führung weiß das folglich auch. Nur die Großmäuler der europäischen Medienfront wissen es nicht.
Interessant die wohl übertriebene Einschätzung Kagarlitzkis, dass dem Überfall gar kein wirklicher geostrategischer Masterplan zugrundeliegt, weil er keinem der Akteure des relativ kleinen Machtzirkels nur irgendeinen großen Plan zutraut. Eine nicht minder gefährliche Abfolge von Chaos und Bluff.“

Der russische Soziologe Boris Kagarlitzki im JACOBIN-Interview

Photo by Don Fontijn on Unsplash

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