Theoretisches

Marx und Engels haben versucht, von der sichtbaren Oberfläche durch Theorienbildung zum Wesen der kapitalistischen Wirtschaft vorzudringen. Marx hat im ersten Band seines Hauptwerks „Das Kapital“, den er noch selbst herausgeben konnte, das Grundelement des kapitalistischen Reichtums identifiziert. Dabei ist er ähnlich wie in der Physik und in der Biologie vorgegangen. In der Physik seiner Zeit wurde das Atom als nicht mehr weiter teilbarer Baustein der Materie angesehen, in der Biologie nahm die Zelle diesen Platz ein. Das Kapital beginnt mit folgenden Worten:

 

„Der Reichtum der Gesellschaften, in welchen kapitalistische Produktionsweise herrscht, erscheint als eine ‚ungeheure Warensammlung‘, die einzelne Ware als seine Elementarform. Unsere Untersuchung beginnt daher mit der Analyse der Ware.“

 

Marx befasst sich ausführlich damit zu bestimmen, was den Begriff Ware ausmacht. Schon Aristoteles stellte zwei Verwendungsmöglichkeiten eines Gegenstandes fest – auch heute noch wesentlicher Bestandteil der Definition der Ware:

Die eine hängt wesentlich vom Gegenstand selbst ab, die andere nicht, wie Sandalen, die getragen werden, auch getauscht werden können. Beide sind Verwendungen der Sandalen, denn auch derjenige, der die Sandalen gegen Geld oder gegen Nahrungsmittel austauscht, die er benötigt, gebraucht die Sandalen als Sandalen, jedoch nicht auf ihre natürliche Art. Denn Sandalen wurden nicht dazu hergestellt, dass sie getauscht werden“ (Aristoteles, “De Rep.” l. i. c. 9.).

Mehr als 2000 Jahre später, im Jahre 1776 wiederholte der berühmte Adam Smith, einer der wichtigsten Vertreter der klassischen Periode der Wirtschaftswissenschaften, die Unterscheidung des Aristoteles, diesmal auf der Ebene des Wertes eines Gegenstandes: „Man sollte festhalten, dass das Wort Wert zwei unterschiedliche Bedeutungen besitzt. Manchmal drückt es die Nützlichkeit eines bestimmten Gegenstandes aus, und manchmal seine Kraft, andere Güter zu erwerben. Die erste Bedeutung könnte man „Gebrauchswert“ nennen, die zweite „Tauschwert“ (The Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations, Book 1, Chapter 4).

Marx hielt an dieser doppelten Bestimmung der Ware fest, wobei er sowohl den Tauschwert als auch den Gebrauchswert als Ergebnis menschlicher Arbeit ansah. Den Doppelcharakter der Ware übertrug er auch auf den Arbeitsbegriff. Als konkrete Arbeit erzeugt sie nützliche Dinge, Gebrauchswerte, als abstrakte Arbeit ist sie die Quelle des Tauschwerts. Damit konnte er erklären, wie ein Tausch von Gütern in entwickelten Wirtschaften von statten geht. Es werden qualitativ unterschiedliche Güter (mit unterschiedlichen Gebrauchswerten) gegen quantitativ gleichwerte Güter (mit gleichen Tauschwerten) ausgetauscht. Aus dieser Tauschbeziehung leitet Marx das Geld ab. Wenn sich Geld gegen jede beliebige Ware tauschen lässt, wird es zur allgemeinen Ware. Es dient als allgemeines Äquivalent, indem es menschliche Arbeitszeit repräsentiert.

Ein Video in englischer Sprache von David Harvey zum Beginn von Kapital Band I findet sich hier.

Güter werden Waren…

In der Geschichte lassen sich viele Beispiele dafür finden, dass nützliche Dinge, also reine Gebrauchswerte, in Waren übergehen. Der moderne Begriff für diesen Transformationsprozess ist Kommodifizierung. Wir sind Zeugen neuer Transformationsprozesse, wo nützliche Dinge ihr Wesen verändern und zu Waren werden, also Gebrauchswert und Tauschwert besitzen.

Während mittelalterliche leibeigene Bauern Ackerbau und Viehzucht für den Feudalherrn und für sich selbst betrieben, erzeugen die Bauern des 21. Jahrhunderts beinahe alles für den Markt, und behalten nur einen Bruchteil ihrer Erzeugnisse für sich selbst.

 

Im Zuge kapitalistischer Entwicklung wurden auch zwei andere zentrale Bereiche der Wirtschaft kommodifiziert: Geld und Unternehmen. Heute können Kredite zu einem bestimmten Preis des Geldes, dem Zinssatz, aufgenommen werden. Der Aktienmarkt ermöglicht es, Anteile (shares) eines Unternehmens zu kaufen (über shares).

Leasing von Transportmitteln oder Maschinen stellen Prozesse der Kommodifizierung zweiter Ordnung dar. Sie nützen den Unterschied zwischen dem Eigentum an der Maschine und den Diensten, die sie leistet. Während das Auto im Eigentum der Leasing-Firma bleibt, werden seine Dienste dem Klienten verkauft. Auf diese Weise werden zwei Märkte bedient, und nicht nur einer.

Im Zuge der neoliberalen Wirtschaftspolitik sehen wir in Europa in den letzten Jahren ein anderes Feld für die Kommodifizierung, den Wohlfahrtsstaat. Immer mehr Dienste, die einst als staatliche Leistung für die Bürger gratis waren, werden nunmehr teilweise kostenpflichtig von der Sozialversicherung über den Selbstbehalt, oder direkt von privaten Unternehmen angeboten. Ausbildung, öffentlicher Verkehr, Gesundheitsdienste, Wasserversorgung, Straßenbenützung, die früher aus dem Steuertopf oder der Sozialversicherung bezahlt wurden und der Bürgerin direkt nichts kosteten, müssen nun bezahlt werden. Diese Kommodifizierung nennen wir üblicherweise Privatisierung. In den letzten Jahrzehnten wurde Outsourcing von Teilen öffentlicher Einrichtungen eine Modeerscheinung: Buchhaltung, Telefondienst, Transport, Marketing, Qualitätskontrolle oder sogar die Produktion intermediärer Güter selbst wurden ausgelagert und den Marktkräften unterworfen. Alle diese Bereiche stellen neue Felder für Gewinne dar.

Durch die Informations- und Kommunikationstechnologien wurden und werden durch Digitalisierung und Speicherung im Binärcode viele kulturelle Bereich der Kommodifizierung zugänglich gemacht: Über CDs, Videos, Audio- oder Textdateien werden aus bloßen Gesprächen oder der marktfernen Aufführung von Musik- und Theaterstücken (also reinen Gebrauchswerten) Waren, die über den Markt verkauft werden. Um die Möglichkeit der Vermarktung aufrecht zu halten, werden zusätzlich Gesetze zum Schutz der Urheberrechte und des Kopierens (copyrights) erlassen, die das freie Vervielfältigen dieser Dateien unter Strafe stellen.

 

… und umgekehrt

Der Kommodifizierungsprozeß ist jedoch keine Einbahnstraße. Es gibt auch Dekommodifizierungsprozesse. Waren können in das Reich der Selbstbedienung verschoben werden: Möbelbau, Teppichweben, und Brotbacken sind nur einige Beispiele, wo der frühere Markt der Produkte ersetzt wird durch einen Markt für die intermediären Güter, die für die Konstruktion und Herstellung des Gebrauchswertes im Haushalt benötigt werden. Diese Verschiebung gibt es auch im Bereich der Dienstleistungen: Geldautomaten, Self-Service-Restaurants oder Münzautomaten ersetzen die Tätigkeit von Angestellten durch Eigenarbeit der Kunden.

Welche Folgen haben diese Kommodifizierungsprozesse? Durch die Auslieferung von Gütern und Dienstleistungen an die Gesetze des Marktes werden die Preise vorwiegend unter Gewinngesichtspunkten festgesetzt. Es geht nicht mehr um die Befriedigung von Bedürfnissen, sondern um das Vorhandensein von kaufkräftiger Nachfrage. Während der Staat als Produzent bei der Preisbildung soziale oder kulturelle Gesichtspunkte berücksichtigt, wird eine private Unternehmung den Preis aufgrund von Angebot und Nachfrage festlegen. In den meisten Fällen bedeutet dies eine Verteuerung der Produkte für die Käufer, ebenso wie etwa bei den britischen Bahnlinien eine Privatisierung zu einer Verschlechterung der Qualität und zu einem Verfall der Infrastruktur führte.

 

Arbeitskraft als Ware

Die Arbeit selbst wurde im Lauf der Geschichte am Markt gehandelt. Während im Feudalismus die Leibeigenen an das Land des Grundherren gebunden waren und mit dessen Produktionsmitteln arbeiteten, sind im Kapitalismus die Arbeitenden von ihren Produktionsmitteln getrennt und frei von der Bindung an die Scholle: Frei in einem doppelten Sinn: Frei von feudalen Bindungen, und frei, das einzige Gut, das sie noch besaßen, nämlich ihre Arbeitskraft, zu Markte zu tragen. Die direkte Aneignung des Überschusses der Arbeit der Leibeigenen in Form von Fronarbeit (ein bestimmter Anteil an der gesamten geleisteten Arbeitszeit) oder Zehent (in Naturalien, später in Geld) wurde im Kapitalismus in eine indirekte Form verwandelt. Heute kann sich ein Unternehmer ganz legal die Differenz zwischen den Erlösen der von den Arbeitskräften produzierten Waren und den Löhnen, die er ihnen bezahlt, aneignen. Die Arbeitskraft ist die einzige Ware, die unter geeigneten Bedingungen mehr erzeugen kann als sie selbst zu ihrer Reproduktion verbraucht. Die Differenz in Arbeitszeit gemessen wird Mehrwert genannt, in Gütern gemessen Mehrprodukt, in Geld gemessen Profit. Er wird zur Grundlage der Akkumulation von Kapital und von Wirtschaftswachstum. Marx hat gezeigt, dass das, was als Profit in die Taschen der Kapitalisten wandert, nichts anderes ist als das, was den ArbeiterInnen und Angestellten unseres Landes vorenthalten wird. Die Lohnabhängigen erhalten zwar Lohn für ihre Arbeit, aber sie leisten für die Unternehmer mehr als sie von ihnen bezahlt bekommen. Die Höhe des Lohns oder Gehalts ist sehr unterschiedlich. Die sogenannten working poor erhalten einen Lohn, der nicht genug ist, um ein anständiges Leben zu führen. Am anderen Ende der Lohnskala stehen die Top-Manager, die nicht wissen, was sie mit ihren Prämien und Bonuszahlungen in Millionenhöhe anfangen sollen, die sie für dubiose Spekulationen erhalten. Insgesamt bleibt aber immer noch genug Profit für die Unternehmen aller Art und der Anteil der Profite am Sozialprodukt wächst.

 

Ein wenig Mathematik

Wollen wir unter Anleitung von Marx’s Kapital die Wirtschaft genauer verstehen, lohnt es sich, uns den Inhalt seiner Theorie vor Augen zu führen, die er in den drei Bänden seines Hauptwerks auf mehr als 1000 Seiten ausgebreitet hat. Ich muss hier abkürzen und wiederhole nur einige Ergebnisse seiner Untersuchung.

Um das Wesen des Kapitalismus herauszuarbeiten, begeben wir uns wie in anderen Wissenschaften auf eine abstrakte Ebene, die nicht unbedingt mit dem übereinstimmt, was wir auf der Ebene der Erscheinung beobachten können. Marx bestimmt den Wert einer Ware (w) durch die gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit, die für ihre Produktion benötigt wird. Er setzt sich aus der vorgetanen Arbeitszeit (c, also der Zeit, die in den Vormaterialien und Hilfsstoffen steckt) und der neu hinzugefügten lebendigen Arbeitszeit (n) zusammen. In einer Formel können wir dann schreiben

w = c + n

Im Kapitalismus zerfällt der neu hinzugefügte Wert (n) in einen Teil, der als Lohn ausgezahlt wird (v), und in einen anderen (m), der die Grundlage für den Profit bildet.

n = v + m

Marx nennt v das variable Kapital. „Kapital“, weil es der Kapitalist aus seinem Vermögen oder über Kredite finanziert vorschießt (was in der heutigen Praxis nicht immer zutrifft, da die Löhne manchmal erst zu einem späteren Zeitpunkt ausgezahlt werden), und „variabel“, weil es mehr Wert erzeugt als der Unternehmer als Lohn bezahlt. c nennt er konstantes Kapital, da sein Wert nur auf die neue Ware übertragen wird und keine Wertzuwachs dadurch möglich wird.

Zusammenfassend kommt frau/man auf die berühmte Marxsche Formel

w = c + v + m,

was nichts anderes heißt, als dass sich der Wert einer Ware (oder auch die Summe aller Waren einer Region oder eines Landes) aus konstantem Kapital (c), variablem Kapital (v) und Mehrwert (m) zusammensetzt.

Damit können wir die zentralen Grundbegriffe der marxistischen politischen Ökonomie formulieren. Beginnen wir mit der Profitrate r, die besagt, um wie viel ein Unternehmer sein eingesetztes Kapital in einer bestimmten Zeit vermehren kann. Dies sieht so aus, als ob sein Geld arbeiten würde, was sich bei näherer Betrachtung als Unsinn herausstellt, da der Wertzuwachs durch menschliche Arbeit erzeugt wird. In Formeln angeschrieben ist die Profitrate das Ergebnis einer Division des Mehrwerts durch das vorgeschossene Kapital

r = m / (c + v).

Die Profitrate kann auch als Ertragslage eines Investors gedeutet werden, da sie die Frage beantwortet: Wie viel EUR erhalte ich für eine Investition von einem EUR?

Allerdings ist einschränkend anzumerken, dass in der beobachtbaren Wirklichkeit noch zusätzliche Einflussgrößen ins Spiel kommen, die bisher vernachlässigt wurden. So spielt etwa die Umschlagszeit des Kapitals eine Rolle, also die Zeit, die zwischen dem Vorschuss des Kapitals und der Realisierung eines Profits aus dem Verkauf der Ware am Markt verstreicht. Will man die Profitrate bezogen auf ein Jahr berechnen, muss diese Umschlagszeit explizit berücksichtigt werden. Sie wird überdies für die verschiedenen Bestandteile des konstanten Kapitals c unterschiedlich sein. Unterteilen wir wie Marx das gesamte vorgeschossene Kapital c in das fixe Kapital cf (etwa ausgegeben, um Maschinen und Gebäude zu kaufen) und das zirkulierende Kapital cz (ausgegeben für Roh- und Hilfsstoffe, Vorprodukte usw.), können wir eine Formel für die jährliche Profitrate angeben

rj = M / (cf + Cz . Tz + V . Tv),

wobei sich die Großbuchstaben Cz, V und M auf die jährlichen Werte von zirkulierendem Kapital, Löhnen und Profiten beziehen. Tz ist die Umschlagszeit für das zirkulierende Kapital, Tv die Umschlagszeit für die vorgeschossenen Löhne. Diese Formel macht deutlich, warum mit der kapitalistischen Entwicklung eine Beschleunigung der Produktion einhergeht. Das Bestreben des Managements, die Profitrate zu erhöhen, kann nicht nur durch eine Vergrößerung von M und durch eine Verkleinerung von c und V erreicht werden, sondern auch durch eine Verringerung der Umschlagszeiten Tz und Tv.

Die abstraktere Formel der Profitrate bietet weitere Möglichkeiten, mit ihr zu spielen. So kann man nach den Regeln der Bruchrechnung den Zähler und den Nenner mit der gleichen Zahl multiplizieren, ohne den Wert zu verändern. Wenn wir das tun, indem wir mit dem variablen Kapital v, also den Löhnen multiplizieren, erhalten wir eine andere Darstellung der Profitrate

r = m/v . v/(c + v).

Die Formel zerfällt in zwei Teile, die miteinander multipliziert werden müssen, um die Profitrate zu erhalten. Den ersten, m/v, nannte Marx Mehrwertrate, die besagt, wie viel Mehrwert der Unternehmer erhält, wenn er dem Arbeiter oder der Arbeiterin einen bestimmten Lohn bezahlt. Den zweiten Teil v/(c + v) nenne ich organische Zusammensetzung des Kapitals.[5] Er drückt den Anteil der Löhne am gesamten vorgeschossenen Kapital aus. Die kapitalistische Konkurrenz bewirkt, dass die Unternehmer den Anteil der Löhne (variables Kapital) verringern und die arbeitenden Menschen durch billigere Maschinen (konstantes Kapital) ersetzen möchten. Dadurch fällt die organische Zusammensetzung, die als Maß für die Technisierung der Produktion angesehen werden: Je größer der Technisierungsgrad, desto kleiner die organische Zusammensetzung.

Weiterführende Überlegungen zur Werttheorie finden sich hier.

Zur Profitrate

Über die längerfristige Entwicklung der Profitrate ist im vergangenen Jahrhundert viel gestritten worden. Marx selbst hat im dritten Band des Kapital das Gesetz vom tendenziellen Fall der Profitrate angeführt. Es sagt aus, dass in der kapitalistischen Wirtschaft gesetzmäßig, also aufgrund von Eigenschaften der kapitalistischen Wirtschaft selbst, eine Tendenz zur Verringerung der Profitrate im gesamtwirtschaftlichen Durchschnitt bestehe. Anders als seine Anhänger war aber Marx klug genug, nur von einer Tendenz des Falls der Profitrate zu sprechen. Als dialektisch Denkender wusste er, dass es Faktoren gibt, die dieser Tendenz entgegenwirken. Und solche Tendenzen treten in den letzten Jahrzehnten kräftig in Erscheinung. Allen voran sind es technische Innovationen, die einerseits die Herstellung von Waren und Dienstleistungen verbilligen und beschleunigen (Prozessinnovationen), und durch neue Produkte profitable Märkte erschließen (Produktinnovationen), andererseits aber auch die Verschiebung des Machtgefüges zwischen Kapital und Arbeit, indem die Steuerbelastung zugunsten der Unternehmer verändert, indem das Feuern von Arbeitskräften erleichtert oder indem die Arbeitszeit flexibilisiert wird usw.

 

Das Zurückbleiben der Lohneinkommen verbessert zwar die Profitsituation der einzelnen Betriebe, die niedrigeren Lohneinkommen schlagen sich aber in einem geringeren Umsatz der Betriebe nieder (die „effektive Nachfrage“ schrumpft), was die Unternehmer im Gegenzug zu verstärkten Anstrengungen führt, ihre Waren im Ausland anzubieten, also zu exportieren. In der Krise ist aber gerade der Export um 15 – 20 Prozent eingebrochen, was im weiteren Verlauf zu Kündigungen und Kurzarbeit führt und damit wieder die Lohneinkommen reduziert hat.

 

Märkte

Hier soll auf eine weitere Funktion von Märkten aufmerksam gemacht werden, die auch positive Folgen haben kann. Ein Markt, auf dem freie Konkurrenz herrscht, ist dadurch gekennzeichnet, dass mehrere etwa gleich starke Anbieter ähnliche Produkte produzieren. Die Käufer können sich aussuchen, welche Produkte bei welchem Preis sie kaufen. Sind die Preise eines Anbieters zu hoch, werden sich nur wenige Käufer dafür entscheiden und werden zu jenem Preis kaufen, der für sie günstig ist. Anbieter, die hohe Kosten in der Produktion haben, werden Verluste einfahren, jene, die niedrige Kosten haben, können höhere Gewinne machen. Dadurch entsteht mittel- bis längerfristig eine Bevorzugung der effizienteren Anbieter, etwa von jenen, die mit besseren Maschinen arbeiten, dadurch weniger Beschäftigte benötigen oder weniger Rohstoffe und Energie verbrauchen. Die Verlustbetriebe werden nach und nach vom Markt verschwinden, während die effektiven eventuell noch wachsen. Durch diesen Mechanismus entsteht gleichsam automatisch eine gesellschaftliche Tendenz in Richtung modernerer Technologie. Technologische Veränderungen setzen sich leichter durch als in anderen Wirtschaftssystemen ohne Konkurrenz. Allerdings funktioniert dieser Mechanismus nur, wenn die Marktteilnehmer zu einigermaßen vergleichbaren Bedingungen arbeiten. Auf Märkten mit einem großen Anbieter (Monopolist) oder wenigen großen Anbietern (Oligopolisten) werden sich die technischen Verbesserungen wahrscheinlich langsamer verbreiten als bei freier Konkurrenz. Der Markt belohnt also die Guten (die Effektiven), und schickt die Schlechten (die hohe Herstellungskosten haben) in den Schuldturm.

 

Wahrscheinlich war das Fehlen der Konkurrenz im Realsozialismus dafür verantwortlich, dass technische Innovationen sich nicht so rasch in der ganzen Wirtschaft durchgesetzt haben und letztlich die Produktivität hinter der Produktivität des Westerns zurückblieb.

 

Natürlich darf aber auch die negative Seite dieses Innovationsprozesses nicht vergessen werden. Finden die Arbeitskräfte bei teilweiser Automatisierung ihres Betriebs keinen anderen Arbeitsplatz, ist in einer kapitalistischen Wirtschaft Arbeitslosigkeit die Folge, was durch die Vollbeschäftigungspolitik des Realsozialismus weitgehend verhindert wurde.

 

Finanzialisierung der Wirtschaft

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